16. Oktober 2020
Wo stehe ich heute – Standortbestimmung. Das ist ein Thema, das mich derzeit häufig erreicht. Ich unterhalte mich mit Führungskräften, die ihre Arbeit seit Jahren auf höchstem Niveau erledigen und längst auf der Managementebene „dünne Luft“ schnuppern. Sie haben viel erreicht und sind trotzdem unzufrieden. Wie kommt das?
Ich hatte mehrere Schlüsselerlebnisse diesbezüglich. Ein Beispiel: Mich rief vor einigen Wochen ein Gastro-Unternehmer an, der in seiner Region mehrere Restaurants besitzt und diese u.a. an top Firmenkunden als Eventlocation mit dem dazu gehörigen Programm als Komplettlösung anbietet. Super Idee, lief bis vor Corona wie geschmiert und wird auch danach wieder „irgendwie“ funktionieren.
In seinem Unternehmerreich arbeitete er zwei Jahrzehnte und nun, während der pandemieverordneten Stressmomente (Gastro und Event – zwei geschlagene Branchen!) kam er ins Grübeln und stellte fest, dass seine Tätigkeit nicht mehr so viel mit dem zu tun hat, was er eigentlich gerne macht. Hat sich diese Situation insgeheim aber jahrelang schön geredet und die tägliche anspruchsvolle Routine sorgte dafür, dass er diese Gedanken nicht weiter gedacht hat. Jetzt schon.
„Herr Raif, ich möchte wissen, wo ich stehe und wie es weiter gehen soll.“ Standortbestimmung.
Dieses Beispiel ist stellvertretend für mehrere, die den Kontakt mit mir suchten. Ich vermute, es kommen weitere.
Denn es geht uns allen so: Wir tun jeden Tag, was wir tun. Während dessen verändert sich die Welt, das Unternehmen, die Mitarbeiter, die Kunden … alles ganz normal. Doch irgendwann kommen wir an einen Punkt, an dem wir merken, dass die Arbeit plötzlich schwer fällt. Nicht, weil wir sie plötzlich nicht mehr können, sondern weil wir Dinge tun müsssen, die wir eigentlich nicht gerne machen. Der Antrieb fehlt, die Unzufriedenheit wächst.
Übrigens, was wir derzeit mit „C“ erleben, beschleunigt diese Gedanken. Wir hinterfragen uns auf Sinnhaftigkeit unseres Tuns. Dazu ein paar Gedanken hier.
Diese Sehnsucht haben viele aber nur wenige den Mut, sie zu ergründen. Wie oft habe ich gehört „ich würde gerne etwas ganz anderes machen, zum Beispiel …“. Gemacht wird es meistens nicht. Doch irgendwann ändern sich die Umstände.
„Ich werde noch blöd, wenn ich so weitermache“ – O-Ton einer Direktorin eines international agierenden Mittelständlers, mit der ich heuer noch Zusammenarbeite werde.
Die Persönlichkeiten, mit denen ich spreche, sind nicht frustriert. Sie könnten ihren Job weitermachen, notfalls bis zur Rente ohne krank zu werden. Doch wollen sie das?
Nein. Nicht unbedingt. Im Alter von Mitte/Ende 40, Anfang 50 ändert sich die Sicht der Dinge ein wenig. Wenn’s gut lief, wurde schon ordentlich Geld verdient, die Kinder sind so weit flügge, dass sich keine permanente Zuwendung mehr brauchen. Den Luxus, den wir uns erarbeitet haben, nutzen wir täglich und er wird zur Gewohnheit. Eigentlich könnten wir langsam downsizen.
Ein CEO eines großen Einzelhandelsunternehmens, der viele Jahre 6-stellig verdiente, sagte mir erst diese Woche, ihm würden mittlerweile 60k im Jahr genügen.
Unisono sagen mir alle meine Gesprächspartner, dass sie weiterhin nicht unbedingt viel Geld verdienen müssen. Sie kämen mit weniger aus und würden trotzdem gut leben. Das macht locker. Doch sie wollen mehr Erfüllung im Job und natürlich mehr Zeit. Am besten mit einer eigenen Idee.
Dann komme ich ins Spiel.
Wenn sich innerer Widerstand regt, liegt das meistens daran, dass die eigenen Werte verletzt werden.
Ich gehöre zur Generation „Boomer“ (Baby Boomer) und bin anders aufgewachsen wie die jungen Leute heute (klingt nach einer schrecklichen Kindheit – war es nicht. War toll als Kind, Jugendlicher und junger Erwachsener!!!).
„Arbeite viel, sei tüchtig und Du wirst Erfolg haben“ galt lange Zeit. Das steckt vielen meiner Altersgenossen noch in den Knochen. Die Leistungsgesellschaft. Da darf man sich gegenüber nicht zimperlich sein, wenn man Erfolg haben möchte. Entsprechend leistungsbereit war ich auch und habe als Führungskraft verschiedenen Unternehmen gedient. Manchmal bis zur Selbstaufgabe: Nächte durchgeschrubbt, zu Kunden freundlich sein, die man nicht mag, Druck und Ungerechtigkeiten schlucken etc. 2011 habe ich das durchbrochen und mich neu orientiert.
Meine größtes Ziel für die neue, noch nicht definierte Tätigkeit war ganz schwäbisch ausgedrückt: keine Arschlöcher mehr! Also überlegte ich, was mir am meisten Spaß macht. Das war ganz klar das wertschätzende Gespräch mit anderen. Das habe ich kombiniert mit meinen guten beruflichen Fähigkeiten und so entstand Personal Brands.
Ich habe für andere keinen Vorschlag, was sie künftig tun können. Doch ich kann helfen, ihre Werte kennenzulernen, nach denen sie künftig Entscheidungen überprüfen können. Im Personal Branding sind das die „Markenkernwerte“. Also die typischen Eigenschaften, Einstellungen und Werte einer Persönlichkeit. Diese bringen Licht ins Dunkel.