Authentizität: Was, wenn ich ein Arsch bin? ?

14. Februar 2021

Wenn es ein Ranking der häufigsten Empfehlungen für gutes Personal Branding gäbe, stünde das ganz oben: Sei authentisch! Sei so wie Du bist! Trau Dich, Dich selbst zu sein!

Dieser Rat ist so falsch wie gut. Denn was ist, wenn ich im echten Leben sehr gewöhnungsbedürftig bin, eine recht unverträgliche Rhetorik nutze und auch von meinen Handlungen her stark polarisiere?

Müssen wir also immer alle Markenkernwerte (Werte, Charakter-Eigenschaften) für unser Personal Branding einsetzen?

 


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„Wer zu spät kommt, steht draußen“

Ein Beispiel eines sehr „authentischen“ Menschen, der mit der Empfehlung „sei authentisch“ völligen Schriffbruch erlitten hätte.

Es war in den 90ern in einer (damals top) Werbeagentur in Süddeutschland. Der Inhaber und Chef hatte es satt, dass seine Kreativen täglich zu spät kamen. Vorherige Bitten oder klar ausgesprochene Ermahnungen hatten eine kurze Halbwertszeit.

Also gab es eine weitere Mahnung: „Leute, wer morgen zu spät kommt, steht draußen. Das wäre dann ab 9.01 Uhr“. Die Kollegen kannten das schon, genauso die heftige Rhetorik, begleitet von leicht cholerischen Ausfällen. Also nahmen es nicht alle ernst.

Der Chef allerdings schon. Denn Punkt 9.01 Uhr am folgenden Tag mauerten Handwerker den Eingang zur Agenturvilla zu. Das hieß dann wirklich – wer zu spät kam, blieb draußen. So war es dann auch – echt arschig.

Diese Kolleg:innen wagten entweder halsbrecherische Klettertouren zu offenen Fenstern oder stellten sich dem folgenden Gewitter nebst Abmahnung meines Chefs.

Das war eine von vielen unkonventionellen Handlungen dieses Herren (bei dem ich viel erlebt habe). Soll er wirklich authentisch in punkto Personal Branding kommunizieren? Lieber nicht.

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„Nehmen Sie den 3er BMW, nicht den Porsche“

Anderes Beispiel, andere Agentur, andere Stadt in Süddeutschland. Ich arbeitete in dieser Agentur als „Group Head Beratung“ (was so etwas ähnliches wie der Beratungs-Chef war) und hatte natürlich viel Kundenkontakt. Jeder unserer Berater inklusive der drei Inhaber hatten einen Firmenwagen und wenn man in der Gunst der Chefs stand, durfte man auch deren Autos nutzen: einen Porsche Carrera oder ein 12-Zylinder BMW – beides Spaßautos, die sowieso nur herum standen.

Doch immer wieder wurde mir hinterher gerufen, ich solle den kleinen BMW 318i nutzen, wenn ich zum Kunden fahre – nicht den Porsche oder Zwölfender.

Warum? Weil die Kunden bloß nicht vor Augen geführt bekommen sollten, dass wir in der Agentur gutes Geld verdienten. Das allerdings wirklich – wir arbeiteten hart für jede Mark, jeden Euro – oft auf Kosten der Freizeit und Wochenenden.

Die Angst, der Kunde würde beim Anblick eines schicken Autos über die Agenturpreise nachdenken, war damals ziemlich stark. Wäre heute vermutlich noch ähnlich.

Ist das authentisches Verhalten? Den Porsche in der Garage haben aber mit dem kleinen BMW zum Kunden zu fahren?

Ich sah zwar den Konflikt, doch wusste immer, was ich dafür getan habe, um dieses Auto fahren zu dürfen. Das ging weit über den Arbeitseinsatz meiner Kunden hinaus – so gesehen stünde mir natürlich eine vergnügliche Fahrt zu.

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Tatsächlich war in diesem Zusammenhang meine besten Erfahrungen beim Kunden ein Golf GTI ohne Typenbezeichnung. Für den Kunden sah das aus, wie ein normaler Golf. Hier haben auffallend viele Kunden mein schönes Auto gelobt. Das passierte mir mit den 5er BMWs oder Mercedes nicht. Seltsame Welt.

 

Was vermarkten wir in Personal Branding eigentlich?

Gutes Personal Branding besteht aus der Persönlichkeit UND der Expertise und nicht nur eines davon. Von beidem nehmen wir natürlich nur das Beste.

Das bedeutet, wir nutzen unsere positiven Eigenschaften und nicht die negativen. Genauso verwenden wir im Fachlichen natürlich immer unsere Stärken und nicht unsere Schwächen.

Mein früherer Chef (der mit der zu gemauerten Eingangstüre) hatte natürlich auch ein paar gute Eigenschaften, beispielsweise: absoluter Klartext, klare Vorstellungen, hohe Resilienz, hohes Durchhaltevermögen, großzügig (so lange man seinen Job gut gemacht hat), begeisterungsfähig, mitreißend, motivierend …

Oder mein anderer Chef („nehmen Sie nicht den Porsche“) konnte understatement, war einfühlend, konnte andere gut einschätzen, war immer freundlich, großzügig, fordernd und fördernd etc.

Sie merken schon, worauf ich hinaus möchte – wir vermarkten die positiven Eigenschaften unserer Persönlichkeit. Das hat manchmal nicht viel mit „authentisch sein“ zu tun, doch das funktioniert und ist nicht gelogen. Tatsächlich sind diese Menschen auch so, zumindest zeitweise.

 

Wieviel Authentizität steckt in Personal Branding wirklich?

Jeder Mensch hat zwei Gesichter. Bei den meisten kennen beide wirklich nur gute Freunde und die Lebenspartner.

Andere sind kantig, grantig, streiten gerne (was sie oft wertschätzend verstehen), provozieren gerne, widersprechen gerne etc. Ein „authentisches“ Personal Brandig wäre kontraproduktiv für diese Menschen. Es sei denn, diese Eigenschaften sind mit dem eigenen Business kompatibel oder man ist so ein ausgewiesen exzellenter Experte seines Fachs, dass es beinahe egal ist, ob die Person menschlich gesehen ein Arsch ist (klassische Beispiele: Klaus Kinski oder Steven Jobs).

Mit dem Tipp, „sei authentisch“, kommt man nicht wirklich weit. Deshalb vermarkten wir unsere herausragenden, typischen und idealerweise sichtbaren positiven Eigenschaften für unsere Kommunikation. Das natürlich subtil – nicht, indem wir sagen und schreiben, dass wir die oder jene gute Eigenschaft besitzen.

Wie das funktioniert, erkläre ich Ihnen gerne. Das ist ein anderes Thema, doch ich gebe auch hierzu gerne Tipps. Melden Sie sich einfach bei mir.

 

Slider 2 Stephan Raif Box 1

 




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