29. August 2021
Ich hatte eine komplette Reisewoche und war von Sonntag bis Samstag unterwegs. Erst in Essen, dann in Köln. Wegen des Bahnstreiks (danke GDL) überbrückte ich zwei freie Tage in Köln und fuhr zwischendrin nicht nach Hause, wie ursprünglich geplant.
Endlich Zeit in Köln und obwohl ich manchen Kontakten unverbindlich zugesagt hatte, mich zu melden, genoss ich meine Zeit alleine. Also buchte ich eine Stadtführung und staunte nicht schlecht, als ich feststellte, dass ich der einzige Kunde an diesem Tag war. Warum? Es war mitten unter der Woche, es regnete häufig und war für August richtig frisch.
Ich erlebte eine ausgezeichnete Stadtführung, die sowohl Historisches, Hintergründe als auch Entertainment beinhaltete. Die Zeit verging wie im Flug und wir unterhielten uns natürlich auch über andere Themen, beispielsweise über unsere Jobs.
Da ich meine Marketing- und Brandingberatung ähnlich passioniert mache wie „mein Stadtführer“ seine „Shows“, fiel ich schnell in den Beratermodus. (Meine Frau hätte die Augen verdreht, weil mir das häufig passiert).
So erfuhr ich, dass mein Gesprächspartner ehrgeizige Ziele hatte, vor allem was sein avisiertes Jahresgehalt anging. Er möchte ganze 150k mit seiner Kunst erwirtschaften.
Das ist mal eine Ansage in diesem Job und ich riet ihm zunächst, seine Anerkennung nicht ausschließlich monetär zu suchen.
Durch meine Fragen erfuhr ich, dass er ziemlich profunden wirtschaftlichen Hintergrund besitzt und dieses Jahresgehalt früher in anderen Berufen schon verdient hat. Ich hatte es also mit einem Menschen zu tun, der mit allen Wassern gewaschen ist, jahrelange Erfahrungen aus der Wirtschaft besitzt, ausgezeichnetes Englisch spricht und ehrgeizig ist.
Zunächst rechnete ich ihm aus, dass er pro Jahr mindestens 6.000 zahlende Kunden braucht, um auf diesen Umsatz zu kommen. Heuer haben wir (mit 30 Tagen Urlaub und Krankheit abgezogen) 224 Arbeitstage, also braucht er statistisch 26,8 zahlende Kunden (25 EUR / Führung) pro Tag. Das sind etwa 2 – 3 Gruppen täglich. Das war vor Corona schon ambitioniert, jetzt unmöglich.
Also muss er sein Produkt aufbohren, attraktiver machen, uniquer gestalten. Nach etwas überlegen hatte ich eine Idee.
Das sind seine Voraussetzungen, sein Kapital:
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Das ist echtes Businesskapital und so schlug ich ihm folgendes vor:
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Unique Events für Unternehmen (Kunden/Mitarbeiter) in und um Köln sowie in der Region, die Unternehmen geschichtlich in die Stadtführung einbinden.
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„Ich verknüpfe die Firmengeschichte von Kunden mit Analogien aus der Geschichte und biete individuelle Führungen, die mehrere Touchpoints zum Unternehmen besitzen.“
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Unternehmen, die in der Region ansässig sind und besondere, individuelle und günstige Events für ihre Mitarbeiter, Kunden und Stakeholder suchen.
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Im oberen dreistelligen Bereich, z.B. 899 EUR.
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Übliche Stadtführungen kann man schon lange buchen, doch die sind wie sie sind. Ich habe schon viele dieser Führungen mitgemacht, die sich oft wie Geschichtsunterricht oder routiniert heruntergebetet anfühlen. Die Ausnahmen kann man mit einer Hand abzählen (heuer z.B. in Lindau schon erlebt).
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Weg vom Stadtführer hin zum History-Guide. Hier muss er noch ein wenig nachdenken, wie er sich betiteln kann, damit es sowohl seine Stadtführungs- als auch die Unternehmens-Kunden verstehen.
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Push-Markting durch direkte Akquise interessanter Unternehmen und Verteilen eines Flyers (kein DIN-lang Prospekt, sondern eine Postkarte oder etwas Ungewöhnlicheres, Haptisches) an seine Kunden, für die er sowieso häufig Führungen machen. Denn wer sich für Geschichte und Kultur interessiert, besitzt tendenziell eine höhere Bildung und verdient vermutlich ganz ordentlich. Nicht selten arbeiten diese Menschen in Unternehmen, für die sein Angebot interessant sein könnte.
Pull-Marketing über eine SEO-optimierte Website, idealerweise Google Ads, YouTube-Kanal mit mehreren 60-Sekündern, Social Media.
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Ziel ist es, etwa 50 dieser Führungen in 2022 für Unternehmen zu absolvieren, was bereits ein Drittel seines avisierten Jahresumsatzes ergibt. Tendenz – Spezialisierung genau auf das, eventuell auch mit einer Inhouse-Variante direkt beim Kunden.
Wir gingen nach der doppelten Zeit auseinander. Nach der zweistündigen Führung konzipierten wir weitere 2 Stunden sein Geschäftsmodell in einem Kölner Brauhaus.
Ein sinnvolleres „Trinkgeld“ für gute Leistungen habe ich noch nie gegeben.
Fotos: Stephan Raif, Beitragsbild Pixabay (Public Domain)